Rücksichtlosigkeit

Wenn ich so bin, wie ich eigentlich bin dann werde ich herumgeschubst. Ich bekomme weder an der Bar etwas zu trinken, noch komme ich beim Schienenersatzverkehr nach Hause. Ja, wenn ich so bin, wie ich bin, werde ich schlecht behandelt. Doch wie bin ich denn eigentlich?

Ich bin ein extrem rücksichtsvoller Mensch. Als Kind war es schlimm, wirklich schlimm. Ich hatte ein unheimlich großes Bedürfnis niemanden stören zu wollen, niemanden zu nerven. So stellte ich meine Wünsche immer extrem hinten an und das wortwörtlich, denn ich stellte mich wirklich immer wieder aufs Neue hinten in die Schlange, damit ich immer die Letzte war und so niemand auf mich warten musste. Ich erinnere es bis heute, wie verzweifelt mein Vater war, als ich rutschen wollte, mich aber immer wieder hinten anstellte oder ich im Kaufhaus einfach nicht auf die Rolltreppe ging, weil ja immer wieder andere Leute kamen, die diese benutzen wollten und ich mich somit immer wieder hinten anstellte.

Wahrscheinlich wurde ich dahingehend zu gut erzogen zu rücksichtsvoll mir wurde beigebracht an andere zu denken, aber leider so gar nicht an mich zu denken. Mein Problem ist schlichtweg, dass ich einfach nie gelernt habe an mich zu denken. Denn wir sehen Narzissmus als reine schlechte Eigenschaft doch gesunder Narzissmus ist etwas Positives und für einen selbst auch wirklich wichtig. Ich allerdings habe leider keinerlei Narzissmuss in mir, er fehlt mir quasi total.

Dadurch leide ich an Echoismus

Echoismus ist das Gegenteil von Narzissmus und ich gehe davon aus, dass du dieses Wort so wie ich vorher noch nie gehört hast oder?

Der Alltag der könnte für uns alle viel leichter sein, wenn jeder ein bisschen Rücksicht auf den Anderen nehmen würde. Stattdessen ist der Alltag ein Kampf. Ich kämpfe mich in die Bahn, um meinen Platz in der Schlange und bin eigentlich ständig am Kämpfen, wenn ich mir irgendetwas mit mehreren Menschen teilen muss. Diese allgemeine Rücksichtslosigkeit lässt mich jeden Tag aufs Neue erschöpft nach Hause kommen und mich oft mit dem Gedanken „ich hasse Menschen“ ins Sofa fallen.

Aber warum ist das so? Wieso fällt es den Meisten so leicht rücksichtslos zu sein? Naja ich denke mal weil Übung den Meister macht. Wir begegnen der Rücksichtlosigkeit jeden Tag und sind somit immer mehr gezwungen uns selbst rücksichtslos zu verhalten, da wir ansonsten nicht zu unserem Ziel gelangen. Im Gegenzug werden wir ja nie damit konfrontiert rücksichtsvoll zu sein.

Rücksichtsvoll sind wir also nur, wenn wir Nachfahren von Echo sind, also eher zu Echoismus neigen. Ich bin in der heutigen Zeit immer noch rücksichtsvoller als viele andere, aber schon viel rücksichtsloser als früher, weil ich früher nur gelernt habe rücksichtsvoll zu sein und heute ausschließlich lerne rücksichtslos zu sein.

Mir wird es dennoch immer leichter fallen rücksichtsvoll als rücksichtlos zu sein, weil das einfach so in meiner Natur ist. Ich muss mich wirklich zusammenreißen wenn ich mich rücksichtslos verhalten möchte.  Das Problem der Echoisten ist ja, dass sie sich selbst für nicht besonders halten genau das gegenteilige Problem vom Narzissten der niemanden mehr besonders findet, als sich selbst. Ich meine wenn du dich besonders fühlst, ist es für dich auch ganz logisch, dass du derjenige bist, der in der ersten Reihe steht, der auf niemanden warten muss, der, der bevorzugt wird. Als Echoist unvorstellbar, werde ich bevorzugt fühle ich mich schlecht. Heutzutage habe ich glaube ich aber so gut wie das gesunde Mittelmaß erreicht, ich habe ein hohes Selbstwertgefühl und auch Selbstvertauen. Auch fühle ich mich besonders, allerdings nie „Überbesonders“, denn für mich wird immer jeder auf seine Art besonders sein, weswegen ich nach wie vor unter der Rücksichtslosigkeit leiden werde und sie auch nie verstehen, geschweige denn so umsetzen werde, wie viele es tun. Ich bin gerne rücksichtsvoll während ich nur rücksichtslos bin, wenn ich es muss. Denn heute weiß ich, wenn ich nicht an mich denke, wird auch niemand anderes an mich denken. Ich muss auch mit mir rücksichtsvoll umgehen.

„Zuletzt ist man immer nur auf sich und das eigene Bewusstsein angewiesen, und was andere versäumen, müssen wir für uns selbst tun.“ ~Theodor Fontane

Was fällt dir leichter? Rücksichtsvoll oder rücksichtslos zu sein?

Ich bin gespannt auf deinen Kommentar!

Deine Janine

6 Gedanken zu “Rücksichtlosigkeit

  1. Danke für deinen sehr ehrlichen Beitrag über deinen ganz persönlichen Lernweg im Blick auf deine Rücksichtnahme. ich finde die Frage schwer zu beantworten. Ich bin sowohl rücksichtsvoll als auch rücksichtslos je nach Situation. Ich denke es geht um das Wissen um Regeln des Miteinanders wie z.b. im Straßenverkehr. Im Straßenverkehr halte ich mich an die Regeln, naja meistens. Und ich denke das ist gut für alle, wenn die Ampel auf Grün steht dann darf ich fahren. Im Straßenverkehr regeln Regeln ein gutes Miteinander, damit jeder ans Ziel kommt. Auch im persönlichen Leben gibt es Regeln, an die man sich halten sollte. Diese Regeln setzen aber voraus, dass ein Mensch eine gesunde Persönlichkeit ist. Und dazu gehört dass man um seine eigenen Grenzen weiß und diese auch vertritt. Niemand muss sich herumschubsen lassen. Das ist nicht gut. Ich vermute dass du ein sehr ausgeprägtes Harmoniebedürfnis hast und dass es dir schwerfällt anderen Spannungen zuzumuten. Aber ohne dem wirst du immer wieder zum Opfer gemacht. Leider. Mein Eindruck ist dass es hier um emotionale Intelligenz geht, um Achtsamkeit und um gesundes soziales Verhalten. Das ist sicher ein lebenslanger Lernprozess.

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    • Vielen Dank das du deine Gedanken dazu mit mir teilst. Ja es ist ein lebenslanger Lernprozess das richtige Mittelmaß zu finden.

      Der Straßenverkehr ist ein gutes Beispiel. Wie wäre der Verkehr, wenn dieser ohne Ampeln und nur zwischen den Menschen geregelt werden müsste?

      Ja ich bin sehr harmoniebedürftig und trage den ständigen Fehlgedanken in mir niemanden nerven zu wollen. Dabei nerve ich ja niemanden, nur weil ich Anwesend bin, ich habe aber oftmals leider dieses Gefühl, keinem zur Last fallen zu wollen. Ich arbeite daran!

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      • Ich glaube, es gibt einige Menschen, die sich freuen dass du ihnen zur Last fällst, ganz einfach weil du wichtig bist für sie und zu ihnen gehörst. Genauso wie andere für dich wichtig sind und du dich um sie sorgst. Ich wünsche dir, dass du den Mut nicht verlierst an dir zu arbeiten und zu reifen. In der Hinsicht sind wir als Menschen alle Lernende und angewiesen aufeinander.

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  2. Ich möcht‘ hierzu nur eines sagen. Narzissmus ist nicht gleich Narzissmus.
    Es ist ein Unterschied, ob man ein Narzisst ist oder narzisstische Züge hat.
    Vielleicht reagier‘ ich aus persönlichen Gründen ein bisschen allergisch auf solche Verallgemeinerungen, daher nimm‘ du es mir bitte nicht persönlich, dass es mir wichtig erscheint, das kurz anzusprechen.

    Dein Beitrag ist gut. Danke fürs teilen

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