Mein Weg zum WingTsun

Wing Tsun: „Schöner Frühling“– die Geschichte einer faszinierenden Kampfkunst

Kaum eine andere Entstehungsgeschichte zieht die Kampfkünstler so in den Bann wie die des WingTsun-Kung-Fu. Kein Wunder, ist diese Kampfkunst doch einige von ganz wenigen, die ihre Ursprünge auf Frauen zurückführt. Dass die Erzählungen über die Stilbegründerin Ng Mui und ihre Schülerin Yim Wing Tsun historischen Fakten entsprechen, ist seit langem durch intensive Nachforschungen – vor allem durch GM Leung Ting – widerlegt. Geschichtlich nachweisbare Personen und Ereignisse vermischen sich mit traditionellen Überlieferungen, politischer Agitation und asiatischem Symbolismus. Das mindert aber keineswegs die Faszination, die der Legende eigen ist. Die Aussagekraft von Mythen hängt grundsätzlich nicht von ihrer historischen Authentizität ab.

Aber kommen wir nun zu meiner Geschichte….

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Als Kind war ich teils wirklich typisch Mädchen und teils das Mädchen, welches mit den Rowdys rumhing. Ich ließ mich also oft zu etwas hinreißen wie zum Beispiel Fahrradrennen fahren, auf Baustellen rumtoben und auf Nachbarsgrundstücken rumtollen. Zimperlich ging es da nie zu und so kam es auch dazu das Ersteres dazu führte, dass ich mich richtig langlegte, verletzt auf der Straße liegen blieb und die Jungs einfach weiterfuhren. Die Mädels aus meiner Straße waren sehr temperamentvoll, so kam es schon mal vor, dass diese mit dem Stock auf einen losgingen. Alles im kleinen Rahmen, aber dennoch kam ich des Öfteren mal in die Situation mich wehren zu müssen. Wieder vertragen schauten wir oft eine Sendung wo Kids die bösen Erwachsenen durch Kampfsport besiegten, das fand ich immer klasse und wollte auch so sein.

Werden wollte ich allerdings immer Balletttänzerin und wollte dementsprechend in jungen Jahren in einen Ballettverein. Die Lehrerin dort war allerdings sehr streng und meine Gelenkigkeit war ihr nicht ausreichend genug, so dass ich mich dann für Jazztanzen entschied. Dort tanzte ich ca. 2 Jahre zu den aktuellen Pop-Charts und wir hatten einige Auftritte in den Schulen. Als ich dann von der Grundschule in die Orientierungsstufe wechselte, lernte ich auch neue Freunde kennen. Wir wollten zusammen in einen Sportverein eintreten und entschieden uns für Handball. Als Linkshänderin war die Position im Handball gar keine Frage, rechts außen. Es machte mir Spaß, wir fuhren auch jedes Wochenende zu Tunierspielen und auch mal zu Trainingscamps, aber ich hörte dann auch auf, weil mir Handball einfach nicht lag, ich konnte weder werfen noch gut abwehren, weil ich dafür wiederum zu klein und zu zart war. In meiner Klasse war noch ein Mädchen, welches im Judo-Verein war. Sie schlug vor ihr mal beim Training zuzusehen. Das Probetraining machte zwar Spaß, aber ich merkte schnell, dass die Anwendungen nicht wirklich gut funktionierten, wenn jemand größer und stärker war, was bei mir oft der Fall war. Ich musste mich so dermaßen anstrengen, den Gegner zu Boden zu bringen, dass mich Judo nicht wirklich überzeugte.

Kommen wir also erst mal wieder zu den Mädchensachen. Nach der Konfirmation, im Alter von 14 Jahren wurde ich von der Tanzschule angeschrieben, dies war so üblich. So fing ich also mit 14 mit Standarttanzen an. Dies war genau das Richtige für mich und war auch bis zum 18. Lebensjahr mein Hobby. Neben dem Standarttanzen besuchte ich auch noch den Hip-Hop-Kurs. Dort studierten wir Choreographien aus Musikvideos ein und traten damit auch auf z.B. auf dem Außenmühlenfest um die Tanzschule nach außen zu vertreten. Hieraus startete auch ein Projekt, wo sozusagen eine Tanzgruppe namens „Challengers“ gegründet wurde, wo wir uns die Choreographien selbst ausdachten und damit auftraten. Dieser Kurs wurde dann aber mit dem Austritt unseres damaligen Tanzlehrers gecancelt, da dieser seine eigene Tanzschule gründen wollte. Beim Standarttanzen tanzte ich mich bis zum goldenen Abzeichen hoch, hörte danach dann aber auch auf, weil ich keinen Tanzpartner mehr hatte und es schon schwierig war, jemanden für die Prüfung zum Goldabzeichen zu finden.

Doch warum erzähle ich euch das alles? Ich möchte damit deutlich machen, das man oft viele Dinge ausprobieren muss um das Wahrhaftige zu finden und das eine Kampfkunst auch zu den Mädchensachen dazu gehört. Denn gerade für Frauen ist das so eine wichtige, unverzichtbare Sache…

Mein Weg zum WingTsun (WT)

Ich liebte das Tanzen und ich liebe es bis heute und wenn ich könnte, würde ich von Morgens bis Abends nur tanzen. Aber die Fähigkeit zu besitzen mich selbst zu schützen und einfach eine starke, unabhängige Frau zu sein reizte mich dann letztendlich doch mehr.

Zunächst tendierte ich als Buffy-Fan zum Taekwondo, weil ich es immer klasse fand, wie so eine zarte, kleine Frau die Monster wegkickte.

Allerdings gab es in meiner unmittelbaren nähe nur WingTsun. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich damit überhaupt nichts anfangen konnte.
Das erste Training in der WT-Schule Harburg gefiel mir vom Aufbau und auch von der Stimmung her. Es fiel mir natürlich alles schwer, ob es die Siu-Nim-Tao- Form war, die am Anfang des Trainings immer gemacht wurde oder der Freikampf, weil man dafür einfach absolut kein Gefühl hatte. WingTsun ist absolut für Frauen geeignet, weswegen ich es sehr schade finde, das so wenig Frauen dafür zu begeistern sind. Im WingTsun hast du ein Gefühlstraining wodurch du lernst einfach auf das zu reagieren, was du fühlst, du entwickelst entsprechende Reflexe und jetzt das Entscheidende; das ganze ohne Kraftaufwand!

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Konfrontationen hat man als Frau in anderen Situationen als Männer. Oftmals in Form von Belästigung. Gewaltsam ist mir gegenüber ein Glück noch niemand geworden. Als junges Mädchen wurde ich öfter mal in der S-Bahn oder am Bahnsteig belästigt, ob es sich um festhalten handelte oder um das nicht aussteigen lassen, alles schon mal vorgekommen. Geholfen hat mir in beiden Fällen niemand, ich hatte einfach nur Glück das die Typen schon bei dem kleinsten Widerstand von mir abließen. Seit ich WT mache, machen mir solche Situationen keine Angst mehr, ich bin viel selbstbewusster durch das Gefühl geworden, das ich nun eine kleine Gebrauchsanweisung für solche Situationen immer bei mir trage. Dies scheine ich auch auszustrahlen ich merke eindeutig, dass ich seit WT viel mehr meine Ruhe habe und es kaum noch zu Situationen in der Richtung kommt, meistens genügt schon ein Blick von mir und die Person die gerade auf mich zugehen wollte hält inne. Von daher kann ich durchaus behaupten, dass sich durch WT auch meine Lebensqualität dahingehend verbessert hat.

Die einzige Frage, die dadurch jedoch immer offen bleibt, ist, ob ich wirklich in der Lage bin mich bei einer ernsten Situation zu verteidigen.

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Zweifel hatte ich oft, oftmals hielt mich meine Hartnäckigkeit und mein Kampfgeist dabei zu bleiben. In der WT-Schule, die ich besuche sind nicht viele Frauen. So trainieren wir ganz stark mit den Männern, was, wie ich finde auch nur Vorteile hat, davon kann man als Frau am meisten lernen. Der Mann ist meistens größer und stärker und wenn man es schafft von diese Art Gegner die Kraft zu nutzen und gegen ihn zu verwenden dann schafft man es auch bei den leichteren Gegnern. Das Training gestaltet sich für mich als Frau dadurch aber härter als bei den Anderen. Wenn die Männer die Technik nicht einwandfrei beherrschen gleichen sie das mir gegenüber dann einfach mit Kraft aus und so ist ihr Problem gelöst. Diese Lösung kommt für mich allerdings nicht in Frage, weswegen ich dann oftmals echt frustriert bin. Auch bin ich oft durch das Verhalten der Trainingspartner gefrustet. Man zieht einen Schlag, aus Rücksicht ja nicht voll durch und wenn der Trainingspartner dann nicht mitspielt können gewisse Techniken nicht angewendet werden, weil dieser sich wie ein Fels, der keinen Schmerz verspürt, positioniert. Ich muss dann oftmals darauf hinweisen, dass ich ihm eigentlich gerade schon Schmerz zugefügt habe. Das versetzt mich immer wieder einen Schritt zurück und ich fange wieder an einiges zu überdenken. Aber im Großen und Ganzen bin ich eher begeistert als frustriert und das Gute an WT ist, das es flexibel ist und auch gerade das Training viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet.

WT bedeutet nicht Stillstand.

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WT geht immer weiter, wird immer realitätsnäher und zum Teil auch individuell. Ich benutze Beispielsweise für mich persönlich ganz andere Techniken, als meine Trainingspartner.

Etwas schade finde ich es, dass ich noch keine von meinen Freundinnen überzeugen konnte. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man es gerade als Frau nicht interessant finden kann sich verteidigen zu können. Sich immer darauf zu verlassen das ein Mann einen beschützt würde mich persönlich nicht zufrieden stellen.

Wenn nichts und niemand mehr bleibt worauf ich mich verlassen kann, so soll doch wenigstens noch ich bleiben…

2 Gedanken zu “Mein Weg zum WingTsun

  1. Angenehmer Beitrag – und ich kann Dir versichern: Nicht nur als Frau geht es Dir da so wie beschrieben – auch als Mann hat man (wenn man genetisch nicht gerade mit körperlicher Kraft über dem Normalmaß ausgestattet ist) seine Probleme den Trainingsgegnern etwas „anzubieten“. Zwar soll eben dies im WT gelehrt werden, das „mit der Kraft des anderen“ zu arbeiten, jedoch frustet dieser Gedanke gerade in der Anfangszeit enorm, weil man viel zu sehr mit sich selbst und seinem Unvermögen beschäftigt ist. Hinzu kommt, dass „der Mann“ an sich oftmals nicht gerade mit emotionaler Empathie gesegnet ist und somit gar nicht bemerkt, wann jemand echten Frust empfindet – schon garnicht, wenn 20kg Gewichtsunterschied im Raum stehen. Das Resultat: Der im Training Unterlegene setzt unbewusst, fast schon reflexartig mehr Kraft ein und frustet sich noch mehr, da man es dem Gegner somit noch einfacher macht…

    Danke also für Deine ganz persönlichen Anmerkungen und Gedanken auf diesem Gebiet.
    Es geht nicht nur den Mädels so, keine Sorge 😉

    André

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