Es gibt eine Hochzeitsrede, die ich nie gehalten habe und eine Hochzeitsfeier, die ich nie gefeiert habe…
Vor kurzem war ich auf einer Hochzeit und in meinem Kopf habe ich eine Rede gehalten. Zunächst mal musst du wissen, dass ich keine große Redenschwingerin bin und auch noch nie freiwillig eine Rede gehalten habe. Ich habe diese Rede nicht gehalten, weil sie nicht speziell auf diese Hochzeit gehörte, auch würde ich diese Rede nicht nur Hochzeiten zuordnen.
Liebe Gäste,
wir sind heute alle hier, um die Liebe zu feiern oder? Mit einem neugierigen Blick schaue ich in die Runde, bevor ich fortfahre. Vielleicht fragt ihr euch ja jetzt, wieso mein erster Satz mit einer Frage beginnt. Ich muss euch leider sagen, dass ich in diesem Raum leider kaum Liebe spüre. Ich nehme hier die Gefühle, Gehässigkeit, Neid, Pflichtgefühl und teilweise auch abwertende Gefühle wahr. Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Menschen nur zusammenkommen, wenn ihnen etwas geboten wird. Gutes Essen und gute Getränke stehen im Vordergrund und weit vor der Nächstenliebe. Ich könnte jetzt erneut in die Runde blicken, aber dort würde ich dann in die oberflächlichen, verständnislosen Gesichter blicken, die mir glaubhaft machen wollen, das meine Wahrnehmung falsch ist. Aber es ist meine Wahrheit, eure vermag ich weder zu kennen noch zu beurteilen. Ich bin heute hier, weil die Menschen, die ich liebe, etwas zu feiern haben und hätten sie dies ausschließlich mit Wasser und Brot getan, hätte dies weder meine Gefühle für sie noch meine Laune auf der Feier beeinträchtigt. Ich bin hier um Ihretwillen. Ich bin hier um mit Ihnen diesen wunderschönen Moment zu erleben und um mich für sie und mit Ihnen zu freuen. Wer von euch kann mir da mit reinem Gewissen zustimmen? Ich schaue kurz in die Runde, bevor ich den Raum für einige Minuten verlasse, um mich zu sammeln.
Was hat mich dazu veranlasst so eine Rede zu schreiben? Die letzten Feiern, die ich persönlich gegeben habe. Denke ich daran zurück, ging es immer nur darum, die Sonderwünsche jedes Einzelnen zu erfüllen, damit die Person an meiner Feier teilnimmt. Es geht nicht darum eine gute Gastgeberin zu sein, natürlich erfülle ich auch gerne mal den ein oder anderen Wunsch und Frage ja auch danach. Dennoch geht es um die Art und Weise, um die Selbstverständlichkeit und auch darum, dass es teilweise gefordert wird. Auf meinen Feiern war ich eigentlich nur noch Kellnerin und Köchin, aber nicht die, die gefeiert wird. Es ging so gar schon so weit, das mich auf meiner Feier eigentlich auch niemand so wirklich vermisst hätte, zumindest wäre der Alkohol eher und mehr vermisst wurden, als ich. Nach meinen Feiern, war ich oft sehr nachdenklich und traurig sie taten mir nicht mehr gut.
Deswegen hörte ich auf zu feiern.
Als junges Mädchen habe ich mir natürlich mehrmals meine eigene Hochzeit vorgestellt. Ich trug ein Prinzessinnenkleid, um mich herum standen freudestrahlende Gäste und alles, was ich an dem Tag fühlte war Liebe. Tatsächlich habe ich auf meiner Hochzeit nur Liebe gefühlt, aber die Feier dazu gab es nicht. Um nur Liebe zu fühlen haben mein Mann und ich entschieden alleine zu heiraten. Wir wollten uns das Gefühl von äußeren, Einflüssen nicht kaputt machen lassen. Natürlich liegt es hauptsächlich an uns selbst, weil wir halt fühlen, wie wir fühlen und auch einfach zu viel fühlen. Aber das wussten wir und wir sind bis heute sehr glücklich über unsere Entscheidung.
Gibt es eine Hochzeit, über die nicht gelästert wird?
Vor der Hochzeitsfeier und nach der Hochzeitsfeier gibt es immer Gerede. Ich persönlich ertrage diese Gerede nicht und mich bestätigt das immer wieder, dass ich so froh bin, mir das nicht angetan zu haben.
Es fängt bei der Sitzordnung an und hört bei dem Brautpaar auf. Alles wird in Frage gestellt. Der Ort, der Preis, die Größe, das Essen, die Gästeauswahl und der Grund für die Hochzeit. Während du deine Hochzeit so planst, wie du möchtest trudeln immer wieder Nachrichten von den eingeladenen Gästen mit „gut gemeinten Ratschlägen“ und „Beschwerden“ ein. Dir wird mitgeteilt, welche Getränke auf keinen Fall fehlen dürfen, welches Essen nicht den Geschmack trifft und wer nicht neben wem sitzen möchte. Spätestens dann, wenn ich solche Nachrichten in Bezug auf meine Hochzeitsfeier (wenn ich denn eine Feier geplant hätte) erhalten hätte, hätte ich wirklich so einige und einiges in Frage gestellt. Da wären bei mir garantiert einige Schlüsselmomente bei herausgekommen.
Ja ich bin sensibel, dieses Thema spreche ich nochmal separat in einem anderen Artikel an, bei dem es um Empathie geht. Ich weiß das es für mich immer etwas schlimmer ist, als für manch anderen und darauf reagiere ich jetzt. Dennoch weiß ich, dass es niemanden gibt, der sich da nicht zumindest ein bisschen drüber aufregt.
Nun frage ich mich was passiert ist? Wann haben wir angefangen den Sinn von den Feiern zu vergessen? Wann haben wir damit angefangen Einladungen als lästig anzusehen und nur wahrzunehmen, wenn es für uns einen persönlichen Anreiz gibt? Und seit wann nehmen wir es uns heraus eine Feier von Jemand anderen so gestalten zu wollen, wie wir es gerne hätten? Und das Allerwichtigste – wann ist die Wertschätzung verloren gegangen?
Ich weiß, dass einige aus den von mir genannten Gründen und Empfindungen ebenfalls nicht mehr feiern.
Dennoch freue ich mich weiter über eine Einladung von denen, die noch nicht aufgegeben haben, die das Ganze vielleicht einfach nicht persönlich nehmen und bin gerne da um Ihretwillen und um mit Ihnen das zu feiern, was sie glücklich macht und um schöne Momente zusammen zu verbringen.
Vielleicht habe ich ja irgendwann auch wieder das Gefühl das es an der Zeit ist zu feiern und vielleicht werde ich dann ja auch positiv überrascht.
Sage niemals nie!
Wie sind deine Erfahrungen und Empfindungen, wenn du eine Feier gibst? Ich bin auf deinen Kommentar gespannt!
Bis dahin wünsche ich dir wundervolle Momente mit deinen Liebsten und das du nie vergisst, worum es wirklich geht!
Deine Janine
Hi Janine,
für mich sind Freunde auch Familie und wir feiern es immer irgendwie, zusammen zu sein. Egal, ob nun bei einer Tasse Tee zwischendurch, weil man gerade die berühmten „fünf Minuten“ Zeit hat oder bei einem größeren Anlass. Aber egal wie ein äußerer Anlass ist, es geht immer um uns Menschen. Ich war schon auf Feiern, die menschlich einfach kalt waren. Sowas ist für mich dann Zeitverschwendung, auch wenn das Essen und die Deko stimmen und sich alle „gut benehmen“… Feiern, die wir selbst ausrichten, sind für mich (und ich glaube auch für alle anderen) am besten, wenn die Chemie stimmt.
LikeGefällt 1 Person
Liebe Laureen, danke für deinen Kommentar! Ich sehe es absolut genauso wie du!
LikeGefällt 1 Person
Wie es soweit kommen konnte, dass die Gäste das Feiern aufgegeben haben? Ich meine, weil es zu viel an Materiellem gibt und der Blick auf das Haben gerichtet ist.
Eine kleine Geschichte gefällig?
Die kleinen Leute von Swabeedoo
Sie lebten in einem kleinen Dorf, irgendwo, kaum zu finden, die kleinen Leute von Swabeedoo. Sie hatten so einen Brauch, jeder und jede trug eine kleine Tasche über die Schulter gehängt, in der sie kleine weiche Pelzstücke aufgehoben hatten. Wenn eine die andere traf, begrüßte sie sie freundlich und meinte :“ Wie schön, dich zu sehen, hier, ich hab ein Pelzchen für dich, extra für dich ausgesucht“. Und die Beschenkte freute sich, es wurde ihr ganz warm ums Herz. Sie schenkte der Ersten auch ein Pelzchen. So ging das lange so dahin und die Menschen im Dorf Swabeedoo waren glücklich, das Lächeln in ihren Gesichtern strahlt warm und ihre Augen leuchteten wenn sie einander begrüßten und beschenkten. Ein Zwerg kam zu Besuch in das Dorf, ein Mann eilte auf ihn zu und begrüßte ihn herzlich:“ Schön, dass du wieder einmal zu ins Dorf kommst. Hier schenke ich dir ein Pelzchen, weil ich mich freue, dich zu sehen“. Igitt dachte der Zwerg, nahm das Pelzchen und fragte den Dörfler: “ Hast Du eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, dass du, wenn du immer nur Pelzchen verschenkst, eine Tages keines mehr haben wirst und deine Tasche leer sein wird?“ Der Mann aus Swabeedoo schaute verdutzt und ging seines Weges. Erst schüttelte er den Kopf, doch je länger über die Begegnung mit dem Zwerg nachdachte, umso mehr musste er ihm zustimmen. Wenn man immer nur Pelzchen verschenkt, dann hat man irgendwann einmal keine mehr……
er begann sparsam mit seinen Pelzchen umzugehen.
Er überlegte genau, wem er eines schenken sollte, verdient der Andere ein Pelzchen? Gibt er mir auch eines zurück? Was ist wenn nicht? Seine Bedenken machten die Runde, man schenkte nur noch zu gaanz besonderen Anlässen, zum Geburtstag, zu einer Hochzeit, zu Weihnachten oder wenn jemand besonders tüchtig gewesen war und großen Erfolg gehabt hatte.
Der Zwerg kam wieder einmal ins Dorf und bemerkte was sich verändert hatte. Er wurde gerade halt registriert. Das hatte er nicht gewollt! Um den Leuten von Swabeedoo etwas zu schenken, brachte er einen Glasstein aus seiner Höhle mit, grün, kalt und mit scharfen Kanten und Spitzen. Den schenkte er dem Ersten, den er traf. Uff, kalt und kantig fühlte der Stein sich an, der Dörfler nahm den Stein und legte ihn bald wieder weg….. .
So war das nun, Einige fingen wieder an einander Pelzchen zu schenken, einfach so, weil es schön war zu schenken und beschenkt zu werden, aber so wie damals war es nicht mehr.
Liebe Grüße, die Gärtnerin mit dem gruenen Daumen
LikeGefällt 1 Person
Liebe Gärtnerin mit dem gruenen Daumen! Vielen Dank für deinen tollen Kommentar und diese wundervolle Geschichte, die es gut beschreibt. Ja genau genommen verschönern materielle Dinge gar nicht das Leben. LG Deine Janine
LikeGefällt 1 Person